Härtsfeldbahn-Anzeiger

Ausgabe 2/1998

Der Unfall bei Zöschlingsweiler

Groß war die Freude, als am 3. April 1906 der Abschnitt Ballmertshofen – Dillingen der Härtsfeldbahn eröffnet wurde. Bald schon jedoch schlug die Freude über die neue Bahnlinie in Ärger um.
Zuerst ereignete sich innerhalb eines Monats eine Serie von Unfällen:
bei Iggenhausen stürzte ein mannshoher Felsblock auf die Schienen, in Elchingen gab es einen Rohrbruch und in den Härtsfeldwerken machten sich zwei Wagen selbständig und fuhren der rangierenden Malletlok so in die Seite, daß die Maschine umfiel. Dann machte das Bähnle durch seine chronischen Verspätungen von sich reden. Dies lag daran, daß ausschließlich gemischte Züge gefahren wurden. Im Winter kamen dann noch Schneeverwehungen dazu. Das Dillinger Tag- u. Anzeigenblatt berichtete: "Stellenweise lag der Schnee so hoch, daß er die Maschine von oben her bedeckte. Aber es gelang durch Benützung zweier Maschinen einen Personenwagen auch zur schwierigsten Zeit durchzubringen."

1907 erhoffte man sich eine Verbesserung durch die Einführung eines geteilten Fahrplans Neresheim - Aalen und Neresheim - Dillingen. Da man aber weiterhin mit gemischten Zügen fuhr, war der Erfolg nicht besonders groß. "Es ist deshalb gar nicht zu verwundern, wenn ein Passagier, der in dringenden Fällen mit der Härtsfeldbahn nach Dillingen, Lauingen oder Aalen gelangen will, vorher die Allerheiligenlitanei oder zu den 14 Nothelfern betet!" und "Man denkt oft unwillkürlich an einen Transport von bekannten Rüsseltieren." prangerte 1908 die Donau-Zeitung die Mißstände an.
Kurz darauf entgleiste ein Zug bei Zöschlingsweiler. Der Bote vom Härtsfeld wußte zu berichten:

"Lauingen, 26. Juli. Zwischen Zöschlingsweiler und der hiesigen Station entgleiste heute mittag – 3 Uhr der Härtsfeldzug, bestehend aus Lokomotive, zwei Personen- und einem Gepäckwagen. Die Maschine (...) überschlug sich völlig, so daß die Räder nach oben stehen. Der erste Wagen hinter der Lokomotive, ein Personenwagen schob sich auf die Lokomotive, das Dach wurde mitten durch zerrissen; der nachfolgende zweite Personenwagen wurde am Vorderteil stark beschädigt und sprang aus dem Geleis. Der Gepäckwagen blieb stehen.
Der Lokomotivführer konnte vor der Katastrophe noch rechtzeitig abspringen; der Heizer jedoch (...) wurde unter der Maschine begraben, aber wie durch ein Wunder ist er mit heiler Haut davongekommen. Von den Passagieren sollen zwei Personen innere Verletzungen davon getragen haben. Ein Unteroffizier des Chevauxlegerregiments wurde aus dem ersten Wagen herausgeschleudert und mußte bewußtlos mittels Fuhrwerks nach Lauingen verbracht werden. Eine Frau, die sich im zweiten Personenwagen befand, soll ebenfalls innerlich verletzt sein. Die übrigen, nicht zahlreichen Passagiere kamen mit dem Schrecken und einigen Beulen davon. Worauf der Unfall zurückzuführen ist, ist zur Zeit nicht bekannt. (...)"

Von den Nachfahren des damaligen Lokomotivführers Krauß war zu erfahren, daß eine Unregelmäßigkeit im Gleis den Unfall herbeigeführt haben soll. Die beschädigte Lokomotive - eine Kastenlok vom Typ Serpollet, gebaut 1899 bei der Maschinenfabrik Esslingen – wurde wieder hergerichtet und war noch einige Jahre im Einsatz. Der beschädigte Personenwagen Nr. 16 – übrigens nahezu baugleich mit dem Personenwagen 1 des Härtsfeld-Museumsbahn e.V. - wurde verschrottet.

Jürgen Ranger

Härtsfeldbahn Anno dazumal

Zeit Ihres Bestehens sorgte die Härtsfeldbahn nicht nur als Nahverkehrsmittel für Furore. Die Geschehnisse rund um die Bahn waren immer und gerne Anlaß dazu, über die normale Berichterstattung hinaus Geschichtchen und Gedichte zu verfassen.
In loser Folge wollen wir zukünftig an dieser Stelle veröffentlichen, was im Lauf der Jahre zur Charakterbildung der Härtsfeldbahn beigetragen hat.

Den Beginn macht ein kleiner Artikel aus dem Merian "Schwäbische Alb", Heft 3 / 1956: "

Die Schättere

Die Geislinger sind stolz auf ihre "Steige", die früheste und steilste Überschienung der Alb. Aber die vergnüglichere Tradition liegt bei den "Bähnle", unter denen die von Aalen nach Neresheim sich emporwindende Härtsfeldkleinbahn vielleicht am ehesten dem schwäbischen Wunsche von Professor Heuss willfährt, das "Lebensgefühl steigern" zu helfen. Der Frühzugschaffner dieses allgemein "Schättere" geheißenen Vehikels kennt seine Kunden persönlich. "Isch dr Karle scho do?" fragt er in Elchingen. Und in Ebnat: "Wo bleibt denn heut' dr Fischer, der Oberschlofer?" Dann erst pfeift er ab; lieber eine Minute Verspätung riskieren als eine Arbeitsstelle! Zur Zeit der aufrührerischen jungen Moste und der traditionell dazugehörigen Zwiebelkuchen ereignete es sich, daß besagtes Zügle auf offenem Felde anhielt und noch einmal anhielt. Und daß einer, für dessen Not die Wagengestaltung nicht genug differenziert war, hinter den Busch entlassen wurde. Womit bewiesen wäre, daß die Humanität an Chancen gewinnt, je geringer die Passagierfrequenz ist."

Kennen auch Sie eine nicht gerade alltägliche Geschichte über die Härtsfeldbahn? Dann schreiben Sie sie uns auf. Ihnen winkt zumindest die Ehre, daß sie eines Tages im Härtsfeldbahn-Anzeiger veröffentlicht wird.

Jürgen Ranger

Gleisbau aktuell

An dieser Stelle wollen wir künftig über den Stand des Wiederaufbaus der ehemaligen Härtsfeldbahn-Teilstrecke Neresheim – Sägmühle berichten.

Hälfte des Schienenstrangs liegt.

Zu Ostern diesen Jahres erreichte der Schienenstrang eine Länge von 1.500 Metern und damit die Hälfte der insgesamt knapp 3 Kilometer langen Strecke. Die Arbeiten an der Strecke sind damit allerdings noch nicht zur Hälfte abgeschlossen. Schließlich müssen die Gleise noch eingeschottert, ausgerichtet und gestopft werden.

Bahnsteig Steinmühle aufgeschüttet.

In der Woche nach Ostern nahm der zukünftige Haltepunkt Steinmühle seine grobe Gestalt an. Der künftige Bahnsteig wurde aufgeschüttet und verdichtet. Die Bahnsteigkante, ein Geländer und der endgültige Zugang müssen allerdings noch fertig gestellt werden. Dies wird erst geschehen, nachdem der Gleisoberbau fertig gestellt ist.

Bahnübergang Steinmühle hergestellt.

Zusammen mit dem Bahnsteig wurde auch der Bahnübergang über den Zufahrtsweg zur Steinmühle, zum ehemaligen Kalkwerk und zum Wanderparkplatz Neresheimer Zwing fertiggestellt.


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[ Letzte Aktualisierung 02.07.98 Gerald Stempel ]